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Soft skills oder hard facts?

Schlüsselqualifikationen Einkauf & Logistik, Teil 1
Soft skills oder hard facts?

Nach der Studie einer namhaften Beratungsfirma verlangen die Unternehmen heute vorzugsweise praktische Erfahrung, soziale Fähigkeiten und Fremdsprachen, wenn sie Führungskräfte suchen. Als wichtige persönliche Eigenschaften gelten die Soft Skills, die weichen, menschlichen Qualifikationen, wie Lernbereitschaft, Kooperations- und Teamfähigkeit.

Günter Hirschsteiner, San Giorgio di Pesaro; E-Mail: hirschsteiner@libero.it

Mit Soft Skills werden die individuellen Merkmale einer Persönlichkeit als berufliche Erfolgsfaktoren beschrieben. In dieser Serie werden vorwiegend die psychosozialen Schlüsselqualifikationen behandelt, wie sie im Einkaufs- und Logistikmanagement hauptsächlich verlangt werden. Dazu gehören Soziale Kompetenzen, Emotionale Intelligenz, Teamfähigkeit und Kommunikationsverhalten, Führungsverhalten, Handlungs- und Sachkompetenzen.
Nach einer Stichproben-Auswertung der einschlägigen Stellenangebote der Beschaffung aktuell und der Süddeutschen Zeitung hat sich diese Rangfolge der persönlichen Anforderungen, Einstellungen und Motivationen ergeben:
  • Teamgeist und Teamfähigkeiten,
  • sicheres Auftreten und ein ausgeprägtes Verhandlungsgeschick,
  • Überzeugungskraft und Durchsetzungsvermögen,
  • Flexibilität und Mobilität,
  • Initiative, Leistungsfreude, Engagement und Belastbarkeit,
  • Arbeitssystematik und Ergebnisorientierung.
Selten direkt, aber aus den adäquaten Begriffen wie Persönlichkeit, Führung, Motivation und Zuverlässigkeit erkennbar, werden fast immer auch ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten nachgefragt. Dazu kommen einige interessante Anforderungen, die für einen Bewerber manchmal auch änderungsbedürftige Unzulänglichkeiten im inserierenden Unternehmen erkennen lassen:
  • Etwas bewegen und Ideen umzusetzen,
  • hemmungslose Innovationsfreude,
  • verhandlungssicheres Deutsch und Englisch,
  • Respektlosigkeit gegenüber eingefahrenen Strukturen,
  • Konzeption und Mitarbeit bei Strategien und Projekten.
Bei den fach- und sachorientierten Hard Skills werden diese Prioritäten vorgegeben:
  • Technisches oder betriebswirtschaftliches Studium,
  • Studium oder fachspezifische Ausbildung,
  • mehrjährige fachspezifische Berufserfahrung,
  • Anwendung von IT- bzw. PPS-Systemen,
  • verhandlungssicheres Englisch,
  • kaufmännische Ausbildung,
  • technisches Verständnis,
  • internationale Einstellung bzw. Erfahrung,
  • eine zweite Fremdsprache,
  • Zusammenarbeit mit den technischen Funktionen.
Produktivfaktor Mensch
Viele der neueren informationstechnischen Systeme brachten nicht den Erfolg, den ihre Auftraggeber und die Anwender erwarteten, vielleicht weil
  • die Prozesse und die technischen Strukturen mehr oder weniger an den Menschen vorbei gestaltet,
  • die Organisation, die Prozesse und die IT-Systeme nicht optimierend abgestimmt,
  • Beschränkungen aufgebaut wurden, die nicht verständig gemacht wurden und die Initiativen behinderten,
  • die praktischen Verfahren und die Prozesse zugunsten einer informationstechnisch größtmöglichen Effizienz in einheitliche Schemen und Automatismen gezwungen wurden,
  • die neuen Verfahren und die Änderung der Arbeitskultur von den Managern und Mitarbeitern wenig verstanden, akzeptiert und umgesetzt wurden.
Es ist immer noch so, dass erst der Mensch mit seinen Fähigkeiten die Wertschöpfungspotenziale, auch die der Beschaffung, realisieren kann. Die Informationstechnik ist nur ein Instrument. Manche Logistiker glauben gerne, dass der Prozess alles ist und nur deshalb nicht ideal funktioniert, weil die Menschen, die daran arbeiten, unvollkommen sind. Das ist, wie alle wissen, anders, und dass die technischen Hilfsmittel den umsichtig produzierenden Menschen unterstützen sollten. Dazu werden noch die richtige Führung und eine produktive Führungskultur gebraucht.
Es geht nicht um die Systeme, sondern um Aufgaben und Ziele. Jede informationstechnische Investition muss die arbeitsorganisatorischen Voraussetzungen so schaffen, dass die Prozesse kontrolliert, flexibel und ergebnisorientiert verstanden und geführt werden können.
„Bald werden nur noch Computersysteme miteinander verhandeln“, haben wir von den Internet-Auktionen gehört. Insider waren schon immer skeptisch, und von den Gläubigen sind einige bekehrt, weil kaum jemand wirklich seine äußersten Konditionen im Netz preisgibt und komplexe oder diffizile Geschäfte den situativ denkenden und erfahrenen Menschen brauchen.
Arbeitsanforderungen
Mit Qualifikationen werden die fachlichen, mentalen sowie sozialen Eignungen und Befähigungen beschrieben, die für die positive Erfüllung der Aufgaben bei gegebenen Bedingungen alleine und mit anderen Menschen erwartet werden. Die Große Brockhaus Enzyklopädie geht mit ihrer Definition noch weiter: Qualifikationen beschreiben „…die Merkmale eines Menschen hinsichtlich Arbeitsfähigkeit (Wissen), Arbeitsdisposition, Arbeitskondition (Können) und Arbeitsbereitschaft (Wollen).“ Das wäre nur noch um das Dürfen zu ergänzen. Andere Definitionen zu den beruflichen Qualifikationen strukturieren beispielsweise nach diesen Merkmalen:
  • kognitive Kenntnisse, Verstehen, Problemlösungsverhalten,
  • affektive Interessen, Empfindungen, Wertevorstellungen,
  • sensomotorische manuelle und körperliche Geschicklichkeit, Reaktionsvermögen,
  • physiologische Belastbarkeit, Kondition, Ausdauer, aber auch Sehen und Hören.
Kompetenzen
Das sind eigentlich die Zuständigkeiten und Handlungsrechte in den betrieblichen Organisationen, die einer Stelle oder einem Stelleninhaber für die Erfüllung der übertragenen Aufgaben und Ziele zugewiesen werden, beispielsweise:
  • Verfügungskompetenzen,
  • Entscheidungskompetenzen,
  • Handlungskompetenzen,
  • Kontrollkompetenzen.
Sie werden grundsätzlich im Zusammenhang mit der Delegation der Verantwortung für ein Sachgebiet oder eine Führungsaufgabe übertragen. Ihre Art und der Umfang sind vom Führungskonzept und der Organisation des Betriebes, seinen Strukturen und Prozessen und selbstverständlich auch von der hierarchischen Ordnung abhängig. Handlungskompetenz und Realisierungskompetenz beziehen sich einerseits auf die übertragenen Aufgaben und andererseits auf die dazu notwendigen persönlichen Qualifikationen.
Qualifikationen
Die individuellen beruflichen Stärken der Menschen beschreiben wir mit Fähigkeiten und, auf die Aufgaben bezogen, mit Qualifikationen. Zusammen mit Wissen, Auftreten und Engagement ergeben sie ein Bündel von Merkmalen, die einen bestimmten Bewerber für ein Unternehmen interessant macht oder auch nicht.
Berufliche Qualifikationen sind eine Gesamtheit von berufs- und fachübergreifenden Kenntnissen, Einstellungen und Motivationen, Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie die Befähigung, diese situativ gekonnt und pragmatisch erfolgreich einzusetzen, bei unterschiedlichen Anforderungen, in wechselnden Funktionen, bei variablen Gegebenheiten und besonders in der Zusammenarbeit mit anderen. Schlüsselqualifikationen sind die elementaren Stärken, die die Kernstrukturen im Persönlichkeitsprofil eines Mitarbeiters oder Managers prägen.
Menschliche Qualifikationen ergeben sich aus den spezifischen persönlichen Dispositionen, wie individuelle Anlagen, persönliche Erfahrungen und Einstellungen, die sich in der Art der Wahrnehmungen, des Verhaltens und der Motivationen ausweisen.
Persönliche Einstellungen leiten die Antriebe, bestimmte Absichten oder übertragene Aufgaben realisieren zu wollen; ausgerichtet nach mehr oder weniger ausgeprägten individuellen Werte- und Orientierungs-, Lern- und Steuerungssystemen. Wertesysteme sind vorwiegend materielle und ideelle Bedürfnisse und Bestrebungen, wie Sicherheit, Einkommen, Gesundheit, aber auch Selbstverwirklichung, Solidarität, Anerkennung.
Das individuelle Orientierungssystem, die Fähigkeit der adäquaten Orientierung in der Lebens- und Berufspraxis, wird mit der eigenen Sozialisation im praktischen Leben erworben und geformt. Für die persönliche moralische Orientierung ist eine engagierte aber auch verträgliche ethische Grundeinstellung notwendig. Für die Unternehmen sind das die Leitlinien, die sie sich selbst aufgeben.
Die Fähigkeiten, die diese Einstellungen begleiten, sind charakterbezogene Grundtalente wie Streben, Initiative und Lernbereitschaft, leistungsbezogene Fähigkeiten wie Planen, Entscheiden, Problemlösen, soziale Fähigkeiten der Führung, des Verhandelns, der Verständigung und Zusammenarbeit.
Persönliche Qualifikationen sollen es dem Individuum ermöglichen, Aufgaben und Herausforderungen, nicht nur in den beruflichen Arbeitsfeldern, initiativ, aktiv, ausdauernd und erfolgreich zu meistern. Schlüsselqualifikationen sind die Eigenschaften, die das professionelle Persönlichkeitsprofil eines Menschen beschreiben.
Aufgaben
Die besonderen beruflichen Anforderungen einer Arbeitsstelle ergeben sich aus ihren spezifischen Aufgaben. Zum Beispiel: Wer Teams führen oder Lieferer motivieren soll, muss auch gut und nachhaltig überzeugen können. Oder: Ein Controller wird sich wohl mehr rational-analytisch, dagegen ein Einkaufsleiter überwiegend kaufmännisch denkend sowie prozess- und beziehungsorientiert ausrichten müssen.
Schlüsselqualifikationen sind in der Persönlichkeit grundsätzlich angelegt und nicht auf enger bestimmte Aufgaben bezogen. Ein adäquates Bündel von fachneutralen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten soll den Manager oder Mitarbeiter befähigen, sich bei wechselnden Gegebenheiten auf unterschiedliche Anforderungen und Herausforderungen einzustellen. Schlüsselqualifikationen kommen aus der mentalen Verfassung der jeweiligen Person als allgemeine, fachunabhängige Lern- und Erkenntnisfähigkeiten, Handlungs-, Personal- und Sozialkompetenzen, verbunden mit Allgemeinwissen. Schlüsselqualifikationen haben ihre Wurzeln im Emotionalen der Person und sind besonders von deren Grundhaltungen geformt.
Schlüsselqualifikationen sind die Basis für die Bildung weiterer Qualifikationen, kontinuierlich und lebenslang. Sie ergänzen und unterstützen das Fachwissen in den jeweiligen Arbeits- und Gestaltungsfeldern.
Der Techniker, der beispielsweise neue Produkte oder Verfahren entwickeln soll, könnte vielleicht ein kreativer Individualist sein, aber ohne angemessene Kommunikation und Teamfähigkeit kommt auch er nicht weiter. Und: Die Fähigkeit, auch Ungerechtigkeiten, Enttäuschungen und andere Heimsuchungen angemessen zu erleben und verträglich zu behandeln, brauchen wir alle.
Es muss nicht immer der Spitzenkandidat mit den besten Abschlüssen einer Elite-Privatschule und mit außerordentlichen Management-Fähigkeiten sein. Manchmal bringt es mehr, wenn ein Bewerber mit durchschnittlichen Papieren den Eindruck vermittelt, dass er den Erfolg des Unternehmens aktiv und kollegial unterstützen wird und vor allem lern- und entwicklungsfähig erscheint.
Schlüsselqualifikationen lernen?
In der schulischen und betrieblichen Ausbildung dominiert das Lernen, Üben und Anwenden von Strukturwissen und fachlichen Fertigkeiten. Vielleicht liegt es daran, dass sich personale Schlüsselqualifikationen didaktisch nur bedingt vermitteln lassen: Sie entwickeln sich erst in der Auseinandersetzung mit den alltäglichen Aufgaben. Diplome bestätigen Fachwissen; sie sagen nichts zur Qualität der realen Umsetzungsfähigkeiten. Berufsanfänger müssen erst lernen, abstraktes Denken pragmatisch an der Wirklichkeit zu messen.
Schlüsselqualifikationen werden nicht willentlich erworben, weil sie im Emotionalen liegen und von den persönlichen Einstellungen formiert werden. Wer sie lernen und erleben will, muss sein Verhalten wissentlich und willentlich darauf einstellen. Am besten werden Einstellungen und Verhaltensweisen in der Gruppe gelernt und weiter entwickelt, in der Familie, am Arbeitsplatz, im Verein. Wenn die Gruppe sich versteht und sich verständigen kann, werden ihre Mitglieder fähig sein, nicht nur ihr Verhalten, sondern auch die Gegebenheiten zu ändern.
Neue berufliche Herausforderungen oder Auslandsaufenthalte fördern die Entwicklung und Festigung besonders der sozialen Kompetenzen. Wer so gelernt hat, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen, wird sich auch in Teamstrukturen gut zurechtfinden.
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